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Wilde Zwillingsmark

"War es das wert?" Torgars sonore Stimme, mit einem tiefen Vorwurf darin, grub sich in unseren Verstand. Er stand vor Rungard und ich schwöre er hatte Tränen in den Augen. Es waren allerdings keine Freudentränen ob des Sieges über das Schicksal, das den Wildlingen gedroht hatte. Servant Makro lag neben seinem ihm zugewiesenen Stein und die Erde unter ihm war dunkel von seinem Blut. Allena war über ihn gebeugt, traurig das Gesicht in ihre blutigen Handflächen vergraben. 

Er hatte bis zu seinem letzten Atemzug die wahnsinnigen Wildlinge zurückgedrängt, hatte dem Volk der Wildlinge das größte nur denkbar Opfer gebracht. Er war, ganz im Sinne seines Ordens, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, jenen entgegen geeilt die seiner Hilfe bedurften, egal ob sie diese verdient hatten oder nicht. Er, der einfache Servant, der nie groß in Erscheinung getreten war, der immer brav und fleißig seinen Dienst verrichtet hatte, trug das Banner und die Werte des Ordens und ging – wie es sich für einen Sofresservanten gehört – mit leuchtendem Beispiel voran. Schwere Ruhe kehrte in die Wälder der Wildlinge, in die Wälder der Zwillingsmark ein. Ein Sohn des Sofres war weitab seiner Heimat gefallen in einer Schlacht, die nicht die Seine gewesen war und dennoch, hatte er sie mit Inbrunst geführt, denn es war notwendig gewesen.

War es das wert gewesen? Was war ein Menschenleben wert? Was waren Ideale wert? War es wert für sie zu sterben? Ich vermute, Makro hätte dies mit einem lauten Ja, gefolgt vom bekannten Kampfschrei des Ordens beantwortet. Feuer im Herzen, Stahl in der Faust! 

Bevor wir ins Lager zurück zogen um Makros Beisetzung vorzubereiten, an eine Siegesfeier war kaum zu denken, bot Mardukai uns noch an, dass er und die Seinen ihre Augen und Ohren nach dem Nekromanten offenhalten würden und sollten sie etwas herausfinden, würden sie es uns wissen lassen. Er versicherte uns, dass er und sein Volk auf ewig in unserer und in der Schuld von Makro stehen würden. Er gab uns noch ein Zeichen mit auf den Weg, welches uns als Freunde der Wildlinge auszeichnete, dann zogen sich auch er und sein Volk zurück. Sie mussten die Kunde verbreiten, dass der neue Anführer der Wildlinge auserwählt worden war und dass nun die Zeit der Kämpfe vorbei sei.

Die beiden Torani bereiteten zusammen mit Schwester Viola und Torgar Makros Körper vor, während einige andere einen Scheiterhaufen aufbauten um Makro ganz im Sinne des Sofres Ordens den Flammen zu übergeben.

Da die Wälder nun befriedet waren, gingen Rundard, Rahab und ich noch einmal zurück zu der arkanen Maschine. Anfang des Jahres, so hatte Rahab erzählt, hätten sie die Maschine mit Fragen zu diversen Dingen gefüttert – in Form von kleinen Zetteln – und als Strohhalm wollten wir die Maschine zum Verbleib des Nekromanten befragen. Immerhin, die Maschine konnte den Anführer eines Volkes bestimmen, dann konnte sie auch möglicherweise einen geflohenen Nekromanten finden? Sie spie eine nichtssagende Kolonne von Zahlen aus. Laut Rahab musste wir in die Katakomben des Nekromanten gehen und dort den Archivar befragen, was die Zahlenreihen bedeuteten, da aber die Höhlen des Nekromanten vorerst nicht betreten werden konnten, war dies im Moment ebenfalls eine Sackgasse.

Die Beisetzung fand bei Dämmerung statt, in dem Moment wo sowohl Toran als auch Sofres am Himmel standen und ihren gefallenen Sohn in Empfang nehmen konnten. Die Predigt, welche der ältere Torani führte, war außerordentlich schön und jeder der Loriter Priester sagte ein paar Worte. Torgar erhobt Servant Makro schließlich posthum in den Stand eines Tempelritters, für den Mut und die Hingabe die er am heutigen Tage gezeigt hatte. Seine ansonsten feste und kräftige Stimme, war zittrig und wirkte brüchig, seine Augen hatten den gläsernen Glanz, den sie bekommen, wenn jemand versucht seine Tränen zu unterdrücken. 

Ich überlegte kurz ob ich auch ein paar Worte sagen sollte, doch hatte ich wirklich das Recht etwas an seinem Totenbett zu sagen? Ich kannte ihn nicht wirklich, obgleich wir im Moment alle Eins mit ihm waren. Ich war kein Krieger, noch war ich für meinen Heldenmut bekannt, das musste ich mir eingestehen. So entschied ich mich schließlich dagegen und tat etwas, wovon ich glaubte, es würde mehr Gewicht haben, als all die vielen Worte die mir sonst bei den meisten Gelegenheiten über die Lippen flossen. Ich schwieg.

Torgar entzündete schließlich den Scheiterhaufen. Der Körper von Makro fing sofort Feuer als ob der Herr Sofres selbst nicht darauf warten konnte, den Helden in seinen Hallen willkommen zu heißen. Makro, der Mann der als Servant in die Zwillingsmark gereist war und der nun als Tempelritter Makro in die Hallen des Sofres einmarschieren würde, mit Glanz und Glorie und umringt von einem sofresgefälligen Feuerschein. 

Allena schenkte einem jeden einen kleinen Schnaps aus und wir stießen auf das Wohl Makros und sein Andenken an. Es wurde noch die Loriter Hymne gesungen und schließlich beendete Torgar die Beisetzung indem er die Asche von Makro einsammelte. 

Torgar, der mittlerweile wieder Herr seiner Stimme war, gemahnte uns dann, in einem Versuch die Stimmung ein wenig zu heben, dass wir nun alle feiern sollten. Denn wenn Makro etwas mit Bestimmtheit nicht gewollt hätte, dann war es gewesen, dass wir ob seines Ablebens Trübsal bliesen. 

Ich muss gestehen, mir war nicht nach feiern. Zu sehr beschäftigte mich Makros ableben. Sein Beispiel hallte noch tagelang in meinem Verstand nach. Er sollte uns allen ein Vorbild sein, er sollte ein leuchtendes Beispiel für Mut in der dunkelsten Stunde sein. Ich war nie ein mutiger Mann, ziehe eine scharfe Zunge immer einem scharfen Schwert vor.
Sollte der Tod dieses Mannes, ein Zeichen der Götter an uns und vor allen Dingen an mich sein? War es eitel dies anzunehmen oder wäre es genau die Art von Zeichen die Sofres geben würde, wenn er der Meinung war, die Menschen bräuchten ein Zeichen um selbst in sich nach dem kleinen Fünkchen zu suchen, welches ihren Mut entfachen konnte? 

Makros Geschichte war schließlich zu Ende erzählt, ob die Götter nun mit dem Ende seiner Geschichte ein Zeichen setzten wollten oder nicht, klar war nur, seine Legende würden erst jetzt beginnen, dafür würde ich sorgen. Er sollte nicht nur uns in diesen Tagen in der Zwillingsmark ein leuchtendes Beispiel sein, sondern auch anderen!