Startseite › Loriter Chroniken › Reisetagebücher › Jahr 1019 DF › Wilde Zwillingsmark

Wilde Zwillingsmark

Wir verschoben diese Diskussion aber auf später, denn wer auch immer Teil des Rituals sein würde, die Reagenzien würden dennoch gebraucht werden. 

Das Wasser war schnell besorgt, die Feder des Zazavogels war an sich auch keine große Sache. Im Fluss Irisal gab es kleine Fische, die die Einheimischen Bitterlinge nannten, vermutlich weil sie genau das waren, und der Zaza Vogel fraß genau diese Fische für sein Leben gerne. Während Torgar und ein paar andere versuchten beim nächsten Angriff der Wildlinge einen der roten gefangen zu nehmen, gingen ein paar andere Angeln. Der Bitterling war schnell gefangen und der Zaza Vogel wurde genauso schnell um eine seiner Federn erleichtert.

Zu Mittag kamen ein paar Einheimische zum Essen in die Taverne, in der auch wir nächtigten und es kam kurzfristig zu einem finanziellen Streit. Eine junge Frau, eine Fischerin, warf uns vor in ihren Angelgründen zu angeln und dass sie dies als Diebstahl betrachtete. Ein paar Kupfermünzen wechselten den Besitzer und nach einer Runde Schnaps von Allenas Selbstgebrandtem für die Gäste war die Angelegenheit vom Tisch.

Man beschloss nach dem Mittagessen eine Schlagkräftige Gruppe zusammen zu stellen, welche sich aufmachte um den Lehm vom Dorf der Braunen zu besorgen. Der Weg führte einen alten Trampelpfad entlang dem Irisal tiefer in den Wald hinein. Die fast unberührte Natur umschlag uns wie die Arme einer Liebsten. Doch diese Liebste hatte Krallen, Zähne und schlug sie uns mit den Waffen der Wildlinge tief ins liebestrunkene Fleisch.
Vor dem Aufbruch hatte ich eine Geschichte vorbereitet, in der ich mehrere mögliche Geschehnisse dieser Reise verarbeitet hatte und sie mit Hilfe meiner Magie dann in den entsprechenden Situationen abrufen konnte. So konnte ich das Schlimmste verhindern und es kamen alle zumindest lebendig, mit einem großen Stück Lehm, wieder im Lager an. Der Zorn der braunen Wildlinge war uns sicher, wenn sie nicht schon den ganzen Tag versucht hatten unsere Leiber zu zerreißen, jetzt waren sie nur um so erpichter darauf.

Der Ausflug zum Dorf der Wildlinge hatte dennoch sein Spuren hinterlassen, die Stärke unserer Krieger ging langsam aber sicher zur Neige und auch der Kampfgeist sankt von Angriff zu Angriff. Lange würden wir den Wildlingen nicht mehr standhalten können. So setzte Torgar der Besonnene alles auf eine Karte und entließ den mittlerweile gefangenen roten Wildling, er solle zu seinem Anführer gehen und ihm mitteilen, dass er und 4 seiner stärksten Kämpfer in unser Lager kommen solle, dort würden sie es austragen. Würden wir unterliegen, würden wir uns zurückziehen und den Wildlingen die Wälder überlassen. Mardukai übersetzte und bestätigte, dass der junge Wildling verstanden hatte. Mit wüsten Beschimpfungen auf den Lippen, welche wir allerdings nicht verstanden, verließ er das Lager.

Nun hieß es warten. Schwester Viola zeigte uns indes, dass Isana nicht umsonst die Göttin mit dem größten Sinn für Ästhetik und Schönheit genannt wurde, denn sie hatte aus dem unscheinbaren Klumpen Dreck, eine wunderschöne Büste geformt, die den Begriff Furchtbarkeit förmlich ausströmte. Ein sowohl dem Auge schmeichelnder als auch die Fantasie beflügelnder Frauenkörper, wie ihn nur eine Göttin hätte entwerfen können oder eben eine ihre taltentierten Priesterinnen.

Während wir warteten, beratschlagten wir, wie das Ritual schließlich von statten gehen sollte. Rungard musste während dem Auswahlprozess, die magischen Kraftlinien wieder in die Maschine einfügen. Aerea würde das Ritual für die Ernennung des neuen Anführers leiten und den einzelnen Personen ein Zeichen geben, wann sie an der Reihe waren ihr Opfer darzubieten. Bei den Steinen würden Schwester Viola, Servant Makro, Mardukai und Allena sein. Die verrückten Wildlinge würden mit Sicherheit versuchen, das Ritual zu verhindern. In ihrem Wahn würden sie nicht erkennen, dass es dabei um ihre eigene Zukunft ging und dass wir nur ihr Bestes im Sinn hatten. Es musste also eine magische Verteidigung her. Da Rungard durch das Ritual gebunden war, musste dieser Bannkreis von jemand anderem konstruiert werden.

Die Wahl fiel auf einen Abgesandten von Lium Fein. Ein mürrischer Druide, der scheinbar nicht sehr begeistert von dieser Aufgabe war, die man ihm zudachte. Ich vermute stark, dass er der Meinung war, dieses Unterfangen wäre für ihn zu groß, dass er Angst davor hatte zu scheitern. Was würde sein Scheitern für uns, die ihm Schutzbefohlenen bedeuten, wenn nicht den sicheren und unumstößlichen Tod?

Könnte er dieser Verantwortung gereicht werden? Dies waren zumindest die Gedanken, die ich ihn seinem Gesicht zu lesen glaubte. Daher versprach ich ihm, ihn bei diesem Unterfangen nach Kräften zu unterstützen, er würde nicht allein sein. Ich würde ihn mit einer Geschichte, die ich in seinen Bannkreis wob unterstützten, dass diese große Verantwortung nicht allein auf seinen Schultern lastete. Wenn ihn diese Zusicherung aufmunterte, dann zeigte er es nicht.

Der Anführer des roten Stamms kam, wie Mardukai es vorhergesagt hatte, der Herausforderung nach und tauchte im Laufe des Nachmittags zusammen mit 4 Kameraden im Lager auf. Das Duell begann und lange Zeit war nicht sicher wer die Oberhand hatte. Die Kontrahenten waren in ihrer Erfahrung im Kampf gleichauf und konnten keine taktischen Vorteile für sich herausholen.

Lange Zeit schien es, als würde der Kampf bis in alle Ewigkeit gehen, doch als der erste rote Krieger fiel, brach das Kartenhaus des roten Stammes in sich zusammen. Binnen Sekunden fielen die anderen vier Krieger, wo sie davor Ewigkeiten standhaft und unerschrocken gefochten hatten. Der Sieg war unser, doch nicht ohne einen hohen Preis zu zahlen. Wir hatten unsere stärksten Krieger auserwählt, sich dem Duell zu stellen. Die fünf Krieger, die noch am meisten Kraftreserven übrig hatten und noch halbwegs grade stehen konnten. Einer dieser fünf Kämpfer war Servant Makro. Er konnte das Duell gegen einen der vier Kameraden des roten Anführers für sich entscheiden, doch war er selbst am Ende seiner Kräfte. Er blutete aus mehreren großen Wunden an Kopf und Brust und konnte kaum noch aufrecht stehen. Dennoch beharrte Servant Makro darauf, beim Ritual dabei zu sein und seinen Teil zu erfüllen, dass die Wildlinge wieder eine Zukunft hatten. Allena versuchte, nachdem sie seine Wunden versorgt hatte, ihn von diesem Vorhaben abzubringen, doch Servant Makro bestand darauf und lies sich nicht umstimmen.

Ein mutiger Mann. Nicht viele würden ein so hohes Risiko eingehen, schwer verletzt bei einem magischen Ritual mit zu machen, bei dem die hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass die angreifenden Streiter zu viele waren und man ihn schwere Gefechte verstrickt wurde. Torgar der Besonnene verkündete unter den Loritern vor dem Aufbruch noch einmal, dass er als Kommandeur dieser Unternehmung von niemandem verlangte bei diesem Unterfangen dabei zu sein, dass er von niemanden schlecht dachte, der der Meinung war, dass dies nicht sein Kampf war.

Ich hatte das Gefühl und da war ich höchstwahrscheinlich nicht der Einzige, dass er diese Rede nicht für uns, sondern ganz allein für Servant Makro hielt. Er sah, wie sehr sich Makro quälte und wie schwer es ihm fiel aufrecht zu stehen. Wenn man aber eines über die Mitglieder der Sofres Kirche sagen konnte, dann war es, dass ihr oft beschriebene Standhaftigkeit, keine Übertreibung oder Glorifizierung war. Mut und Ehre floss förmlich durch ihre Adern anstelle von Blut und Servant Makro wäre vermutlich persönlich beleidigt gewesen, hätte man ihn im Lager zurückgelassen, damit er seine Verletzungen auskurieren konnte. 

Im Wald angekommen, begann ein jeder mit der ihm zugeteilten Aufgabe. Die Vier, die ihre Gaben den Runensteinen darbieten sollten, nahmen Aufstellung. Rungard positionierte sich in der Mitte des Kreises um die magischen Linien zu ordnen und wieder mit der Maschine zu verbinden.

Der lium feiner Druiden begann zaghaft mit seinen Beschwörungen, zeitgleich erhob ich die Worte und erzählte von den magischen Linien, den mutigen Helden, die sich den Gefahren stellten und nicht zuletzt von der unglaublich mächtigen Barriere, die der Druide zum Schutze seiner Gefährten errichtete. Ich pries die Barriere und wie sie die Luft zum flirren brachte und je mehr ich die Magie des Druiden lobte umso sicherer wurde er in seinem Tun. Anfangs kamen die Worte der Beschwörung nur zaghaft und leise über seine Lippen, doch je mehr ich seine Magie beschrieb und lobte wie behände er sie wob, desto sicherer und stärker wurde seine Stimme. Das Rauschen des Wassers, das er in seinem Zauber anrief, konnte man förmlich hören.

Dann kamen die Wildlinge. Sie brandeten an die Barriere, die der Druide errichtet hatte wie die Wellen an eine steile Felsküste. Immer wieder schlugen und traten sie gegen die fest gewordene Luft um uns herum, doch der Schutz hielt.

Ein Runenstein nach dem anderen wurde in das Ritual eingebunden, während Rungard zeitgleich den passenden magischen Strohm in die Maschine leitete und ihn dort verankerte. Dann begann die Maschine mit ihrem arkanen Werk und in diesem Moment hatten die Horden der wütenden Wildlinge mit ihrem Zorn Erfolg und die Barriere des Druiden zerbarst wie die Gischt in einem Sprühregen an die Felswände der Klippen prasselt. Mit vor Zorn glühenden Augen warfen sich die Wildlinge auf uns. Schläge wurden ausgeteilt und eingesteckt. Immer wieder fielen Krieger auf beiden Seiten unter der Gewalt der Hiebe. 

Irgendwann erhob Mardukai seine Stimme und die Wildlinge hielten inne. Er verkündete mit fester Stimme, die Maschine hatte ihre Wahl getroffen und ihn als den neuen Anführer der Wildlinge auserkoren. Der Staub des Kampfes und der Zorn der Wildlinge legte sich gleichermaßen und es kam wie Mardukai es vorhergesagt hatte, der Wahn und Irrsinn, der von den beiden Wildlingsstämmen Besitz ergriffen hatte, verflog. Der Friede war wieder eingekehrt.