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Wilde Zwillingsmark

Aerea und Mardukai konnten die Beschreibungen des Wildlingforschers noch etwas erweitern. Die Wildlinge wurden immer von einem Häuptling angeführt, welcher aus einem der vier Stämme erwählt wurde und dem alle Wildinge folgten. Der Einbruch in die verlassenen Kammern des Nekromanten und das entwenden der Elixiere und Tränke hatte der letzte Anführer der Wildlinge, ein Mitglied des braunen Stamms, zu verantworten. Leider bezahlte dieser Anführer das Eindringen in die Kammer des Nekromanten, durch einen einstürzenden Schacht mit dem Leben.

Das Interessante, das die Beiden zu erzählen hatten war allerdings in wie weit die Kultur der Wildlinge mit der arkanen Maschine zusammenhing oder besser gesagt wie weitreichend die Konsequenzen waren, dass der Zwillingsorden die Maschine entfernt und die magische Verbindung mit den Steinen zerstört hatte.

Die arkane Maschine war von ihrem Erschaffer an Ort und Stelle aufgebaut worden und das Schicksal der Wildlinge wurde, offensichtlich, absichtlich mit der Maschine verwoben. Denn immer dann, wenn ein gewählter Anführer der Wildlinge verstarb, wusste die Maschine dies. Zu einem festgelegten Zeitpunkt, ich vermutete, dass dieser Zeitpunkt irgendetwas mit der Stellung der Sterne zu tun hatte, versammelten sich die Anführer der einzelnen Stämme und vollzogen ein Ritual in welchem Verlauf der neue Anführer bestimmt wurde. Und nun kam der spannende Teil. Die Entscheidung, wer der neue Anführer der Wildlinge wurde, traf die arkane Maschine, so Mardukai. Ich vermutete, dass die Wildlinge ein magisches Ritual durchführten, auf das die Maschine irgendwie reagiert und die Wildlinge diese Reaktion fehlinterpretierten. Doch Aerea bestätigte, dass die Maschine dezidiert einen Anführer wählte. Sie ging sogar soweit, dass sie die Worte „bewusste Entscheidung“ und „wer aus der Sicht der Maschine am würdigsten war“ in ihren hübschen Mund nahm. Ich blieb skeptisch. 

Mardukai, er selbst war nicht magisch befähigt sondern vielmehr ein Wissenssammler, meinte auch, dass der Zeitpunkt gekommen war und die Maschine nun einen neuen Anführer wählen würde. Dieser Zeitpunkt – welcher natürlich zufällig genau heute war – dürfe nicht verstreichen, denn laut den Überlieferungen würde es keine zweite Möglichkeit geben.

Erschwerend kam hinzu, dass die Anführer der einzelnen Stämme an diesem Ritual teilnehmen mussten und uns war klar, dass die braunen und roten Wildlinge nicht zu einer vernünftigen Entscheidung befähigt oder Willens waren an dem Ritual Teil zu nehmen. Zu allem Überfluss waren Aerea und Mardukai auch jeweils die letzten Vertreter ihrer Stämme, die nicht von den anderen erschlagen worden oder geflohen waren. Was also tun?

Mardukai versuchte einen Funken Hoffnung in die Sache zu bringen. Er vermutete, dass die Vertreter seiner Einschätzung nach nicht zwingend Mitglieder der Wildlinge sein müssten. Den Überlieferungen zufolge würde die Maschine diesen Umstand durchaus mit in Betracht ziehen und dem entsprechend weise handeln. Ich war immer noch sehr skeptisch, wenn es darum ging einer magischen Vorrichtung so etwas wie Verstand oder gar Weisheit zu attestieren. Ich kam aber dann irgendwann zu dem Schluss, dass ich zum einen zu wenig von arkaner Technomantie verstand um dies wirklich mit Bestimmtheit sagen zu können und zum anderen, es gab auch magische Wesen, die zumindest über rudimentäre Intelligenz verfügten, war ich doch selbst schon mindestens zweimal einem solchen Wesen begegnet, warum also nicht?

Mardukai war auch vorsichtig optimistisch und fügte hinzu, dass die Wahl des neuen Anführers womöglich auch den Wahnsinn der anderen Stämme heilen konnte. Die Wahl, die die Maschine treffen würde, würde für sie, selbst in ihrem umnachteten Zustand, unumstößlich sein und war für sie Gesetz, zu tief war die Ehrfurcht und der Glaube an die Unfehlbarkeit der Maschine verwurzelt. Wir baten Marudkai darum, uns zu erklären wie das Ritual vollzogen werden musste, gesetzt den Fall, dass wir wirklich versuchen würden, dieses Ritual durchzuführen um wieder Ruhe in die Wälder der Wildlinge zu bringen.

Dazu waren vier Paraphernalien notwendig, so Mardukai. 

Die erste Zutat war am einfachsten zu beschaffen. Man bräuchte etwas Wasser des heiligen Flusses Irisal. Zum Glück war dies genau der Fluss, der nicht einmal 10 Schritt neben der Taverne verlief. Die zweite Zutat war eine Feder des Zaza Vogels, welcher in dieser Gegend heimisch aber sehr scheu war. Die nächste Ingredienz war schon etwas schwieriger zu beschaffen. Die Mitglieder des roten Stammes erhielten sobald sie als Erwachsen galten, einen so genannten Feuerstein überreicht, welchen sie immer bei sich trugen. Fünf dieser Steine brauchten wir für das Ritual.
Die letzte Zutat war ein Tongefäß oder eine Tonskulptur aus dem heiligen Lehm des braunen Stammes. Dieser Lehm konnte nur im Flussbett des Irisals nahe dem Dorf der Braunen gefunden werden.

Die Paraphernalien mussten während dem Ritus dem jeweils passenden Runenstein dargeboten werden. Das Wasser des Irisal sollte auf den Stein des Wassers gegossen werden, mit der Feder des Zazavogels musste über den Windstein gestrichen werden, der Ton musste auf den Stein der Fruchtbarkeit, die Erde, positioniert werden und die Feuersteine musste am Stein des Feuers geopfert werden. Das eigentliche Ritual würde dann ein Mitglied des grauen Stamms vollziehen.

Wenn wir überhaupt so weit kämen und das war zu diesem Zeitpunkt keines Falls sicher, müsste Aerea das Ritual leiten, da nur sie die korrekten magischen Gesten und Worte kannte. Doch wenn sie das Ritual führte, konnte sie nicht an ihrem angestammten Platz, am Stein des Windes, sein. Was uns aber wieder zurück zu dem Problem mit den fehlenden Mitgliedern der Stämme brachte.

Nach kurzem Überlegen, nur immer unterbrochen durch den Kampflärm der Wildlinge, die immer wieder anrückten, bot sich eine unserer beiden Isana Priesterinnen, die schöne Schwester Viola, an, sie könne den Stein des Windes übernehmen. Isana war auch Göttin der Luft, wie sie ausführte und sie habe die Götting um ein Zeichen gebeten, ob es in ihrem Sinn wäre, diese Aufgabe zu übernehmen. Und die Göttin habe ihr ein Zeichen gesandt, welches ihr signalisiert hatte, dass die weise Göttin damit einverstanden war.

Als Stellvertreter für den braunen Stamm würde Allena als Heilerin den Stein der Furchtbarkeit übernehmen. Den Stein des Wassers übernahm Mardukai selbst und somit blieb nur noch der Stein des Feuers über. Servant Makro bot sich nach kurzer Bedenkzeit an, diesen Teil des Rituals zu übernehmen. 

Mardukai dankte den Anwesenden, hatte aber noch einen Hinweis parat der den aktuellen Plan fast zum Scheitern brachte. Die Maschine würde, so die Überlieferungen, einen der Teilnehmer des Rituals als Anführer erwählen. Wenn die Maschine also der Meinung war, dass eine der Unsrigen ein würdiger, neuer Anführer wäre, dann würde sie Denjenigen erwählen. Das war der Moment, an dem sich Torgar in die Diskussion einbrachte. Dies war ein Punkt, den er nicht so einfach hinnehmen konnte. Es war in seinen Augen eine Sache, sich in die Politik oder das Schicksal eines ganzen Volkes einzumischen, doch eine ganz andere, wenn plötzlich einer der Loriter und das auch noch ein Mitglied der Kirche, zurückbleiben musste, weil der Auserwählte der neue Anführer der Wildlinge war. Und das auch noch auf das Geheiß einer unbekannten magischen Maschine.

Wir waren zwar fast alle felsenfest davon überzeugt, dass die Maschine, wenn sie so weise war wie Mardukai glaubte, keinen Fremdländer auserwählen würde, der die Belange der Wildlinge nicht verstand. Davon war Torgar der Besonnene aber nicht unbedingt überzeugt.