Vor der großen Versammlung in Zlopotek-Kran auf Shi`gun

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Alena
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Vor der großen Versammlung in Zlopotek-Kran auf Shi`gun

Beitrag von Alena » Mo 28. Mai 2012, 03:52

Der Großmeister
Noch war es still in der großen Versammlungshalle. Nur die Feuer brannten, wie immer, Tag und Nacht.
Die rotgrauen, glatt polierten Wände und Säulen aus Vulkanstein warfen die Wärme und das Licht zurück.
In Gedanken versunken, stand der Großmeister vor dem Feuer in der Mitte des Raumes. Alle Berichte hatte er gelesen, alle Magier befragt, die Krieger gehört. Nun galt es die Kraft der großen Versammlung zu nutzen. Er hatte diesmal auch seine ältesten Erszenys geladen. So kostbar waren diese Echsenjungen, die erwählten. So kostbar. Für das Echsenvolk der Vörrössz. Für ihr Überleben in Frieden.
„Die Götter waren uns bis jetzt gut gestimmt, wir haben drei auf den langen Weg geschickt, und drei sind wieder zurückgekehrt, erwachsen, ausgebildet, wissend. Sie haben ihre Meisterfreunde gefunden, wir werden ihnen auf ewig dankbar sein. Und auch unser jüngst erwähltes Echsenkind SOROQANOK Znu Kettö ist gut aufgenommen worden, im fernen Chrush Alba. Aber SZUBANOK Znu Harom…“
Der Großmeister streute etwas Gewürzpulver ins Feuer, es loderte hell auf, ein scharfer Geruch verbreitete sich. Langsam umschritt er das Feuer, sog den Duft tief auf, er musste scharf und klar denken, die große Versammlung begann in einer Stunde!
„QIRASTZA Znu Kettöm … sie war eine unserer besten Erszeny! Nach Altansaar habe ich sie geschickt, einen Meisterfreund für SZUBANOK bei den Waldelfen zu finden. Doch durch düstere Zeiten musste sie wandern …“ Tagelang verdunkelte ihr erfühlter Todeskampf die Herzen aller Vörrössz. Aber die Magier hatten nach einem langen Ritual im Tempel des Feuergottes über seltsame Visionen berichtet. Der Geist QIRASTAs wäre frei und rein. Sie hätten ein Wesen gespürt und gesehen, ja gesehen! Ihnen den Echsen auf seltsame Weise ähnlich. Einer der ältesten meinte gar ein Wesen in Drachengestalt zu erkennen, doch, zart von Gestalt, und zugleich mächtig im Geist. Doch dann verhüllte sich der Feuergott, und die quälende Frage nach SZUBANOK war bis heute nicht beantwortet.

Der Großmeister hielt inne und betrachtete die Inschriften auf einer dunkelrot-schimmernden Säule. Immer und immer wieder hatte er die schwierigen Zeichen gelesen, welche noch von den Altvorderen mühsam in den Vulkanstein gearbeitet worden waren. Mit seinen Klauen fuhr er zart die Ritzen einzelner Wörter nach und murmelte: „Altansaar. Ur-Heimat. Das große Volk der Vörrössz. Das Chaos. Unser Äonen-Trauma. Tod. Tod. Tod. Unsere Tränen zum Meer geworden. Die Flucht ins Feuer.“
Da ließ er die Hand sinken, und drehte sich wieder dem Feuer zu. Wiederum nahm er Gewürzpulver, diesmal mehr, und fütterte das Feuer damit, sodass beißender Rauch aufstieg.
Und der Großmeister richtete sich zur vollen Größe auf, nahm seine goldene Glefe mit beiden Händen, und starrte in die Flammen. Er hatte zu warten. Die Vörrössz warteten. Wie sie es immer getan hatten. Die Monde waren voll und leer geworden, sie warteten.
Bis heute. Die Magier hatten den Tag berechnet. Heute war die große Versammlung. Heute würden sie im großen Ritual SZUBANOK Znu Haroms Geist suchen. Mit der Kraft der Clanmeister, der Gondozik und der Erszenys.
Der Großmeister stand unbeweglich, mächtig, den Säulen gleich, und die Feuer brannten, wie immer.
"Ich muss wohl zwei oder drei Raupen aushalten, wenn ich die Schmetterlinge kennen lernen will" (St. Exupery)

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Alena
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Re: Vor der großen Versammlung in Zlopotek-Kran auf Shi`gun

Beitrag von Alena » Mo 28. Mai 2012, 05:59

Die große Versammlung beginnt

Einzeln traten sie ein. Jedes der Echsenwesen angetan mit den goldenen Abzeichen ihrer Clans, den goldenen Ehrengleven, die Krieger in voller Rüstung, die Magier mit ihren steinernen Ketten, die Gondozik – ihr Altester hielt das Stammbuch der Vörrössz in seinen Händen -, und auch die Erszenys, mit ihrem typischen Kopfschmuck.
Jeder der neun Clans war vertreten, mit seinem Clanmeister, und alle neun Gondozik, so wie sie es immer taten bei den großen Versammlungen.
Heute jedoch waren auch die Erszenys geladen, der Großmeister ZANOSZTEK Znu Egym hatte um ihre Anwesenheit gebeten. Zu schwer lastete die Frage des vermissten Echsenkindes auf allen. Nur die Erszenys waren in der Lage, mit anderen Kulturen Kontakt aufzunehmen, und über ihre Meisterfreunde vielleicht etwas über SZUBANOK in Erfahrung zu bringen – so jedenfalls hatte der Auftrag des Großmeisters an die Erszenys gelautet.

Die steinerne Halle füllte sich langsam, jedes Echsenwesen reihte sich in einen großen Kreis ein, um das Feuer in der Mitte. In der Luft lag noch etwas von dem beißenden Geruch, den das Gewürzpulver des Großmeisters verursacht hatte. Tief atmete jede Echse ein, und wieder aus, so als wolle sie ihre Lunge mit dem Rauch reinigen.

Als alle versammelt waren, gab der Großmeister ein Zeichen. Daraufhin huschten junge Echsenkrieger durch die steinernen Tore herein und begannen, schwere Steinplatten um das Feuer der Mitte zu lösen. Augenblicklich erwuchs aus der nun erweiterten Öffnung im Boden, aus dem das Feuer bereits vorher gelodert hatte, eine meterhohe Flammenwand. Die Hitze, welche sich im steinernen Saal nun ausbreitete, hätte jedes andere Wesen in kürzester Zeit getötet. Doch sie die Vörrössz kamen aus dem Feuer und gehen am Ende ihrer Zeit ins Feuer. Dieses Geschenk der Erde reinigt ihren Körper und ihren Geist, und diese Reinigung wurde vor jedem Ritual vollzogen.

Die Echsenwesen starrten ins Feuer. Niemand sprach. Noch war es nicht Zeit. Sie warteten. Zeit hatte hier keinen Namen, keine Bedeutung. Die steinerne Halle war noch nicht bereit.
Wieder folgte ein Zeichen des Großmeisters, und die jungen Echsenkrieger verließen den Saal, rückwärts im Echsengang gehend, dabei in tiefer Verneigung vor dem Feuer. Von außen wurden die steinernen Tore geschlossen. Stille, nur erfüllt vom Brausen des Feuers, trat ein.

Nun erhob der Großmeister seine Stimme: „Vörrössz, wir haben uns hier eingefunden, um eines unserer erwählten Echsenkinder zu suchen. Es sind nun 9 Monde vergangen, seit SZUBANOK aus dem Clan der Znu Haroms ihre Erszeny QIRASZTA verloren hat. Wir hatten so große Hoffnungen in dieses Echsenkind, sie sollte die Bande zwischen unserem Volk und den Waldelfen Altansaars knüpfen. Doch die Götter haben einen anderen Weg für sie gewählt. Wir wollen heute in diesem Ritual zu ihrem Geist Kontakt aufnehmen. Bedenkt Vörrössz, ihre Fähigkeit dazu ist so zart wie ein Keimling, so unwissend wie ein Neugeborenes. Aber sie müsste nach den Berechnungen unserer Magier jetzt bereit sein,
auf Bilder welche wir ihr schicken uns in Bildern zu antworten. Doch lasst uns vorher noch ihrem Gondozik hören, um uns tief in dieses Echsenkind einzustimmen!“

Eine uralte Echse, gebeugt von der Last der Jahre, streckte sich und begann mit tiefer Stimme zu sprechen: „SZUBANOK Znu Harom. Nach den Genealogie-Plänen ist ihr Vater ZANOSZTEK Znu Egym, und ihre Mutter KISSZERISZ Znu Harom. Beide zeichneten sich durch besondere Erfühl-Talente aus, und die Erbanlagen beider Clans könnten zu einem außergewöhnlich langen Leben führen. Da das Ei das 3. im Gelege war, wurde es im Vulkan von Zuczak Kis als weibliche Echse ausgebrütet. Als das Kind schlüpfte, hatte es bereits eine zarte goldene Zeichnung auf ihrem Kamm! Sie entwickelte sich vorbildlich, und ich konnte ein neugieriges, und für uns Echsen ungewöhnlich freundliches Wesen feststellen. Manchmal vielleicht etwas übermütig, aber auch von extrem schneller Auffassung. Ich war ihr Gondozik für 24 Monde, und übergab sie Euch, Großmeister, in vollster Gesundheit.“

Wieder senkte sich Stille über die große Steinhalle. Einzig das Feuer fauchte tief aus der Erde. Die Hitze hatte enorme Ausmaße angenommen. Und wieder warteten die Echsen. Auf das Zeichen des Großmeisters, auf das Ritual, auf die Suche nach dem Geist SZUBANOKs.
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Re: Vor der großen Versammlung in Zlopotek-Kran auf Shi`gun

Beitrag von Alena » Fr 1. Jun 2012, 01:26

Der Ruf nach Szubanok

Ein Zeichen des Großmeisters, und alle Echsen schlossen sich zu einem Kreis, Schulter an Schulter. Das Feuer selbst war fast ausgegangen, doch ein heißes Glühen drang aus der Tiefe, es leuchtete und Schatten spiegelten sich auf den Vulkansäulen. Unmerklich hoben die Echsen zu einem seltsamen Gesang an, ein Zischen und Fauchen und tiefe Brummlaute vermischten sich. Immer lauter wurde ihr Lied, und unmerklich wob sich der Name SZUBANOK wie in einen Teppich ein neuer Faden. Die Echsen hielten ihre Augen geschlossen, jetzt bedurfte es nur eines einzigen Sinnes, die große Erfühlung. Sie neigten ihre Köpfe immer tiefer, und wiegten sich hin und her, hin und her. Ihre Bewegungen verschmolzen mit ihrem Gesang, es gab keine einzelne Echsen mehr, nur mehr die Vörrössz. Immer tiefer neigten sie sich zu Boden, sanken hinunter auf ihre Hände, sanken tief hinunter in ihren Geist, nun Kopf an Kopf, in ihrer Urhaltung als Echsen, nicht mehr auf Händen, auf vier Beinen ruhend. Und der Name SZUBANOK nahm ihren ganzen Geist ein, nahm den Raum ein. Prallte von den Säulen ab und stieg auf wie der Rauch aus dem Feuer. Stieg auf, durch die Öffnung der großen Halle, hinauf durch den Stein. Hinauf und hinaus durch den Krater in die Welt. Sie riefen sie.
Sie waren eine große Mutter-Echse, welche ihr Junges rief. Sie wussten, dass SZUBANOK sie fühlen würde können. Sie wussten, dass SZUBANOKs Geist ihre Bilder würde sehen können. Die Bilder ihrer Herkunft, ihrer Heimat Shi`gaan, ihrer Clans, ihrer großen Tempel. Sie riefen sie.

Sie würden sie so lange rufen, bis ein Bild von ihr zurückkäme. Sie brauchten nicht viel. Nur einen Hinweis, ein Bild, von dem Ort, an dem sie war. Von dem Wesen, das sich um sie kümmerte.

Es war bereits lange vor dem Ritual beschlossen worden, dass wieder ein Erszeny losgeschickt werden würde, um den weiteren Weg SZUBANOKs zu erhellen, um ihr Hilfe zu bringen, oder um sie heimzuholen. Die Wahl war auf SZIRKASZOK Znu Egym gefallen, sie hatte vor langer Zeit in Altansaar einen Meisterfreund gefunden, sie war es gewesen, welche erfolgreich ein Echsenjunges nach Crush Alba gebracht hatte. Auch sie wiegte sich im Rhythmus des seltsamen Echsen-Liedes, auch sie war verschmolzen zu einem Ganzen mit all den anderen Echsen.

Sie riefen SZUBANOK, Stunde um Stunde, Zeit hatte keinen Raum, sie würden so lange vereint bleiben, bis ein Bild, eine Antwort von ihr zurückkäme.
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